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Die Filmwissenschaftlerin Anne Souriau erfand um 1950 den Begriff der Diegese, um alles zu bezeichnen, was zur Welt der Handlung eines Spielfilms gehört. Diegese wurde für die Erzähltheorie (nicht nur im Film) zum grundlegenden Begriff und geht weit über die Musik hinaus, weil sie sich zum Beispiel auch auf Geräusche, Erzählstimmen oder eine selektive Beleuchtung von Details in einem Film beziehen kann.
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Die Filmwissenschaftlerin Anne Souriau erfand um 1950 den Begriff der Diegese, um alles zu bezeichnen, was zur Welt der Handlung eines Spielfilms gehört. Diegese wurde für die Erzähltheorie (nicht nur im Film) zum grundlegenden Begriff und geht weit über die Musik hinaus, weil sie sich zum Beispiel auch auf Geräusche, Erzählstimmen, Kameraeinstellungen oder eine selektive Beleuchtung von Details in einem Film beziehen kann.
  
Im Stummfilm ist die «extradiegetische» Musik eines Ensembles vor der Leinwand der Ausgangspunkt der Filmmusik. Die Illusion einer diegetischen Musik liess sich erst im Tonfilm überzeugend realisieren.  
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Im Stummfilm ist die «extradiegetische» Musik eines Ensembles vor der Leinwand der Ausgangspunkt der Filmmusik. Die Illusion einer diegetischen Musik liess sich erst im Tonfilm überzeugend realisieren.
  
 
== Schweizer Filmmusik ==
 
== Schweizer Filmmusik ==

Revision as of 13:32, 7 February 2018

Diegetische Musik im Film ist ein Bestandteil der im Film gezeigten Welt.

Definition

Diegetisch ist sowohl der Gesang einer im Bild sichtbaren Figur als auch das Spiel von sichtbaren oder aus der Ferne klingenden Musikinstrumenten oder elektroakustischen Geräten. Der Begriff on screen hat eine engere Bedeutung, weil Musik off screen ebenfalls diegetisch sein kann. Musik im Originalton einer Dokumentation ist zum Beispiel diegetisch.

Nichtdiegetisch oder extradiegetisch ist dagegen eine Musik, die dem Film hinzugefügt ist, um ihn zu gliedern, zu lokalisieren, zu emotionalisieren etc., also der «Normalfall» der Filmmusik.

Oft wird mit dem Wissen oder mit der Vermutung des Zuschauers gespielt, ob die erklingende Musik diegetisch sein könnte. Vor allem kann eine Musik diegetisch sein, wenn sie nur «im Kopf» einer Filmfigur erklingt, wie im Fall des Komponisten Gustav Mahler als Hauptfigur von Luchino Viscontis Morte a Venezia (1971). (Mit dem Vokabular der Erzähltheorie ist diese Situation nicht unbedingt in Übereinstimmung zu bringen, weil Musik nicht erzählt, sondern eine Perspektive vermittelt – beziehungsweise ein Wie des Wahrnehmens ohne ein Was eines Erzählten transportieren kann.)

Geschichte

Die Filmwissenschaftlerin Anne Souriau erfand um 1950 den Begriff der Diegese, um alles zu bezeichnen, was zur Welt der Handlung eines Spielfilms gehört. Diegese wurde für die Erzähltheorie (nicht nur im Film) zum grundlegenden Begriff und geht weit über die Musik hinaus, weil sie sich zum Beispiel auch auf Geräusche, Erzählstimmen, Kameraeinstellungen oder eine selektive Beleuchtung von Details in einem Film beziehen kann.

Im Stummfilm ist die «extradiegetische» Musik eines Ensembles vor der Leinwand der Ausgangspunkt der Filmmusik. Die Illusion einer diegetischen Musik liess sich erst im Tonfilm überzeugend realisieren.

Schweizer Filmmusik

Die Musik von Höhenfeuer (1985) von Mario Beretta und Florian Eidenbenz ist kein realistischer Klang der Bergwelt, aber sie ist als diegetische Musik definiert, weil sie «im Kopf» der gehörlosen Hauptfigur klingt, deren Perspektive vom Zuschauer übernommen wird. Ähnliche Varianten einer «subjektiven» akustischen Realisierung der Schweizer Bergwelt sind etwa Ben Jegers Musik zu Das vergessene Tal (1991) oder Jean-Philippe Héritiers Musik zu La grande peur dans la montagne (2006). (Autor: Mathias Spohr)

Literatur

  • Chion, Michel: Audio Vision, 14. Aufl., Berlin: Schiele & Schoen 2013. ISBN 978-3794908271
  • Souriau, Étienne: « La structure de l’univers filmique et le vocabulaire de la filmologie », in: Revue internationale de Filmologie, H. 7-8 (1951), S. 231–240.

Weblinks