Difference between revisions of "Inzidenzmusik"

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Der Ausdruck '''Inzidenzmusik''' (''incidental music'') wird bei Filmmusik dann verwendet, wenn sich eine dramaturgisch gestaltende Musik von einer Rahmenmusik (Vorspann, Nachspann) und von eingelegten Musiktiteln unterscheidet, die keine engere Verbindung mit dem Film haben und auch in anderen Zusammenhängen verwendet werden. Dies ist oft bei Serien der Fall.
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Der Ausdruck '''Inzidenzmusik''' (''incidental music'') wird bei Filmmusik dann verwendet, wenn sich eine dramaturgisch gestaltende Musik von einer '''Rahmenmusik''' (Vorspann, Nachspann) und von eingelegten Musiktiteln unterscheidet, die keine engere Verbindung mit dem Film haben. Es ist Musik, die für einen bestimmten Film komponiert ist und sich schwer von diesem Zusammenhang lösen lässt. Bei Serien gibt es traditionell eine Unterscheidung in «title, [[Underscoring|underscore]] and incidental music, and [[Diegetische Musik|diegetic items]]» (Coyle & Mesker 2013, S. 19).
  
Im Theater ist der Unterschied zwischen Inzidenzmusik und rahmender bzw. eingelegter Musik wichtig, weil die Verwertungsgesellschaften nur für die letzteren Musikelemente zuständig sind («kleines Recht») und die Inzidenzmusik zum «grossen Recht» gehört, das direkt zwischen Rechtsinhabern und Veranstaltern ausgehandelt wird. Bei Filmmusik fällt beides unter das kleine Recht.
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== Theater und Film ==
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Im Theater ist der Unterschied zwischen Inzidenzmusik und rahmender bzw. eingelegter Musik wichtig, weil die Verwertungsgesellschaften nur für die letzteren Musikelemente zuständig sind («kleines Recht») und die Inzidenzmusik zum «grossen Recht» gehört, das direkt zwischen Rechtsinhabern und Veranstaltern ausgehandelt wird (Staudt 2006, S. 127). Bei Filmmusik fällt beides unter das kleine Recht.
  
Inzidenzmusik kann sowohl [[diegetische Musik]] als auch nicht-diegetische Musik sein. Bei Dokumentationen ist sie in der Regel nicht diegetisch. Zu einer fiktiven Handlung kann sie dagegen gehören. Manchmal wird sie mit dem [[Underscoring]] gleichgesetzt.
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== Diegese ==
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Inzidenzmusik kann sowohl [[diegetische Musik]] als auch nicht-diegetische Musik sein. Bei Dokumentationen ist sie in der Regel nicht diegetisch, weil Musik im Originalton dort selten für die gezeigten Situationen komponiert ist. Zu einer fiktiven Handlung kann Inzidenzmusik dagegen gehören. Die Definitionen in der Literatur sind nicht einheitlich.
  
 
== Schweizer Filmmusik ==
 
== Schweizer Filmmusik ==
  
In Kurs Frühs Film ''[[Dällebach Kari]]'' (1970) gehört [[Mani Matter]]s Titelsong zur Rahmenmusik, und der «Topsy-Song» sowie der «Annemarie-Walzer» von [[Tibor Kasics]] gehören zur Inzidenzmusik. Die Tanzmusik ist hier nur teilweise diegetisch, die Cabaret-Einlage ist diegetisch.  
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In Kurt Frühs Film ''[[Dällebach Kari]]'' (1970) gehört [[Mani Matter]]s Titelsong zur Rahmenmusik, und der «Topsy-Song» sowie der «Annemarie-Walzer» von [[Tibor Kasics]] sind Inzidenzmusik. Die Tanzmusik ist hier nur in der Rückblende diegetisch, die [[Cabaret]]-Einlage ist diegetisch.  
  
Die Songs im Filmmusical ''[[Der 42. Himmel]]'' (1962) von [[Hans Moeckel]] und [[Werner Kruse]] kann man zur Inzidenzmusik rechnen, weil sie für die gezeigten Situationen komponiert sind. Sie sind nicht oder nur teilweise diegetisch, weil sie eine realistische Erzählweise brechen. In der dargestellten Wirklichkeit würden die Figuren nicht singen.  
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Die Songs im Filmmusical ''[[Der 42. Himmel]]'' (1962) von [[Hans Moeckel]] und [[Werner Kruse]] kann man zur Inzidenzmusik rechnen, weil sie für die gezeigten Situationen komponiert sind. Sie sind nicht oder nur teilweise diegetisch, weil sie eine realistische Erzählweise brechen. In der dargestellten Welt würden die Figuren nicht singen.  
  
Im Falle von ''[[Die Venus vom Tivoli]]'' (Leonard Steckel, 1953) würde man nur die neu zur Operette hinzukomponierte Musik von [[Walter Baumgartner]] zur Inzidenzmusik rechnen.
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Im Falle von ''[[Die Venus vom Tivoli]]'' (Leonard Steckel, 1953) würde man nur die neu zur Operette hinzukomponierte Musik von [[Walter Baumgartner]] zur Inzidenzmusik zählen.
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In einer weiteren Variante gebrauchen Hans Erdmann und Giuseppe Becce in ihrem ''Allgemeinen Handbuch der Filmmusik'' (1927) den Ausdruck «Inzidenz»: Sie dient zur Charakterisierung von Schauplätzen oder Vorgängen (wie Natur, Exotik, Festlichkeiten), wogegen  die «Expression» Gefühle ausdrückt (wie Misterioso, Agitato, Appassionato, also eine Art Entsprechung zum [[Underscoring]]). (''Autor: Mathias Spohr'')
  
 
== Literatur ==
 
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*Coyle, Rebecca, Alex Mesker: «Time Warp: Sonic Retro-Futurism in The Jetsons», in: K. J. Donnelly, Philip Hayward (Hg.): ''Music in Science Fiction Television'', New York: Routledge 2013, S. 14–33. ISBN 978-0-415-64108-1
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*Erdmann, Hans, Giuseppe Becce: ''Allgemeines Handbuch der Filmmusik'', 2 Bde., Berlin: Schlesinger 1927.
 
*Fischer-Lichte, Erika et al. (Hg.): ''Metzler Lexikon Theatertheorie'', Metzler: Stuttgart 2014, S. 223–224. ISBN 978-3-476-02487-9
 
*Fischer-Lichte, Erika et al. (Hg.): ''Metzler Lexikon Theatertheorie'', Metzler: Stuttgart 2014, S. 223–224. ISBN 978-3-476-02487-9
 
*Lafave, Kenneth: ''Experiencing Film Music. A Listener’s Companion'', London: Rowman & Littlefield 2017, S. 2, 24. ISBN 978-1442258426
 
*Lafave, Kenneth: ''Experiencing Film Music. A Listener’s Companion'', London: Rowman & Littlefield 2017, S. 2, 24. ISBN 978-1442258426
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*Staudt, Monika: ''Die Rechteübertragungen im Berechtigungsvertrag der GEMA'', Berlin: de Gruyter 2006. ISBN 978-3-89949-313-9
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*van der Lek, Robbert: ''Diegetic music in opera and film. A similarity in two genres of drama analysed in works by Erich Wolfgang Korngold'', Amsterdam: Rodopi 1991, S. 27–29. ISBN 90-5183-261-3
  
 
== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
 
*[http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5823 Inzidenzmusik im ''Lexikon der Filmbegriffe'']
 
*[http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5823 Inzidenzmusik im ''Lexikon der Filmbegriffe'']
  
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Revision as of 16:50, 2 February 2021

Der Ausdruck Inzidenzmusik (incidental music) wird bei Filmmusik dann verwendet, wenn sich eine dramaturgisch gestaltende Musik von einer Rahmenmusik (Vorspann, Nachspann) und von eingelegten Musiktiteln unterscheidet, die keine engere Verbindung mit dem Film haben. Es ist Musik, die für einen bestimmten Film komponiert ist und sich schwer von diesem Zusammenhang lösen lässt. Bei Serien gibt es traditionell eine Unterscheidung in «title, underscore and incidental music, and diegetic items» (Coyle & Mesker 2013, S. 19).

Theater und Film

Im Theater ist der Unterschied zwischen Inzidenzmusik und rahmender bzw. eingelegter Musik wichtig, weil die Verwertungsgesellschaften nur für die letzteren Musikelemente zuständig sind («kleines Recht») und die Inzidenzmusik zum «grossen Recht» gehört, das direkt zwischen Rechtsinhabern und Veranstaltern ausgehandelt wird (Staudt 2006, S. 127). Bei Filmmusik fällt beides unter das kleine Recht.

Diegese

Inzidenzmusik kann sowohl diegetische Musik als auch nicht-diegetische Musik sein. Bei Dokumentationen ist sie in der Regel nicht diegetisch, weil Musik im Originalton dort selten für die gezeigten Situationen komponiert ist. Zu einer fiktiven Handlung kann Inzidenzmusik dagegen gehören. Die Definitionen in der Literatur sind nicht einheitlich.

Schweizer Filmmusik

In Kurt Frühs Film Dällebach Kari (1970) gehört Mani Matters Titelsong zur Rahmenmusik, und der «Topsy-Song» sowie der «Annemarie-Walzer» von Tibor Kasics sind Inzidenzmusik. Die Tanzmusik ist hier nur in der Rückblende diegetisch, die Cabaret-Einlage ist diegetisch.

Die Songs im Filmmusical Der 42. Himmel (1962) von Hans Moeckel und Werner Kruse kann man zur Inzidenzmusik rechnen, weil sie für die gezeigten Situationen komponiert sind. Sie sind nicht oder nur teilweise diegetisch, weil sie eine realistische Erzählweise brechen. In der dargestellten Welt würden die Figuren nicht singen.

Im Falle von Die Venus vom Tivoli (Leonard Steckel, 1953) würde man nur die neu zur Operette hinzukomponierte Musik von Walter Baumgartner zur Inzidenzmusik zählen.

Stummfilm

In einer weiteren Variante gebrauchen Hans Erdmann und Giuseppe Becce in ihrem Allgemeinen Handbuch der Filmmusik (1927) den Ausdruck «Inzidenz»: Sie dient zur Charakterisierung von Schauplätzen oder Vorgängen (wie Natur, Exotik, Festlichkeiten), wogegen die «Expression» Gefühle ausdrückt (wie Misterioso, Agitato, Appassionato, also eine Art Entsprechung zum Underscoring). (Autor: Mathias Spohr)

Literatur

  • Coyle, Rebecca, Alex Mesker: «Time Warp: Sonic Retro-Futurism in The Jetsons», in: K. J. Donnelly, Philip Hayward (Hg.): Music in Science Fiction Television, New York: Routledge 2013, S. 14–33. ISBN 978-0-415-64108-1
  • Erdmann, Hans, Giuseppe Becce: Allgemeines Handbuch der Filmmusik, 2 Bde., Berlin: Schlesinger 1927.
  • Fischer-Lichte, Erika et al. (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Metzler: Stuttgart 2014, S. 223–224. ISBN 978-3-476-02487-9
  • Lafave, Kenneth: Experiencing Film Music. A Listener’s Companion, London: Rowman & Littlefield 2017, S. 2, 24. ISBN 978-1442258426
  • Staudt, Monika: Die Rechteübertragungen im Berechtigungsvertrag der GEMA, Berlin: de Gruyter 2006. ISBN 978-3-89949-313-9
  • van der Lek, Robbert: Diegetic music in opera and film. A similarity in two genres of drama analysed in works by Erich Wolfgang Korngold, Amsterdam: Rodopi 1991, S. 27–29. ISBN 90-5183-261-3

Weblinks